Er muss dringend geschoren werden… oder etwa nicht?
Kaum steigen die Temperaturen, beginnt der Ansturm von Anfragen besorgter Hundehalter im Hundesalon.
Die Anfragen klingen alle ähnlich:
„Mein Hund hechelt so stark – können Sie ihn bitte schnell scheren, damit er nicht überhitzt?“
„Es ist doch viel zu warm für dieses viele Fell!“
„Der Hund braucht dringend einen Sommerschnitt, sonst geht er mir noch ein vor Hitze!“
Wir tragen im Sommer schließlich auch keinen Wintermantel … da muss es dem Hund doch nur guttun, wenn er seinen festgewachsenen Mantel einfach abgeschoren bekommt – oder?
Alle wollen jetzt sofort einen Termin, um ihren Hund ganz schnell vom „ach so fürchterlich warmen Pelz“ zu befreien.
Was auf den ersten Blick vielleicht logisch klingt, ist in vielen Fällen ein folgenreicher Irrtum – mit potenziell gravierenden Folgen für die Gesundheit und das Wohlbefinden deines Hundes.
🧠 Erst verstehen – dann handeln: Warum hechelt mein Hund eigentlich?
Zunächst ein kleiner Exkurs in die Thermoregulation beim Hund:
Hunde schwitzen nicht über die Haut, wie wir Menschen.
Sie regulieren ihre Körpertemperatur vor allem über:
→ Hecheln
→ Schweißdrüsen an den Pfoten
→ kluge Verhaltensweisen: Schatten suchen, langsamer bewegen, weniger fressen.
Und das Fell spielt dabei eine wichtige Rolle!
Es wirkt nicht nur als Kälteschutz im Winter, sondern auch als Hitzeschutz im Sommer.
Gerade bei Doppelfell-Hunden (z. B. Schäferhund, Husky, Golden Retriever, Australian Shepherd, Labrador, Spitz usw.) hat die Natur ein geniales System geschaffen:
→ Die dichte Unterwolle schützt im Winter vor Kälte.
→ Das Deckhaar schützt vor Regen.
→ Im Sommer löst sich die dicke Unterwolle und will ausgebürstet werden.
→ Das Deckhaar schützt dann perfekt vor Überhitzung und Sonnenbrand.
Ganz wichtig: Die lose Unterwolle muss gründlich entfernt werden, damit Luft an die Haut gelangen kann.
Ein Doppelfellhund trägt damit einen perfekten Allwetterschutzanzug – keinen Wintermantel!
Eine Rasur hingegen zerstört dieses System komplett – und manchmal sogar dauerhaft.
✂️ Warum das Scheren von Doppelfell-Hunden gefährlich sein kann
Wenn du deinem Hund im Sommer „Gutes tun“ willst und ihn komplett scheren lässt, kann genau das passieren:
→ Der natürliche Wärmeschutz geht verloren – Hitze knallt ungebremst auf die Haut.
→ Sonnenbrandgefahr – besonders bei hellen oder dünn behaarten Tieren.
→ Haarschäden – oft wächst das Fell nach dem Scheren nicht mehr gleichmäßig oder gar nicht vollständig nach.
→ Fellstruktur-Veränderung – das Fell wird stumpf, kraus, schwerer kämmbar.
→ Juckreiz & Hautprobleme – weil die Haut nicht mehr ausreichend geschützt ist.
→ Thermische Dysregulation – der Körper kann sich schlechter an Temperaturwechsel anpassen.
Viele Hundehalter berichten nach dem Scheren:
„Irgendwie wirkt er jetzt träge …“
Kein Wunder – denn was gut gemeint war, kann sich für den Hund wie ein dauerhafter Sonnenstich anfühlen.
Übrigens:
Es gibt Hundehalter, die sagen, ihr Hund sei nach der Schur wie ausgewechselt und fühle sich pudelwohl.
Ja – das stimmt zunächst … aber meist nur, weil der Hund vorher voll mit toter Unterwolle war und das Fell dadurch seine natürliche Wärmeregulation nicht mehr nutzen konnte.
Nach der Schur:
→ Die tote Unterwolle ist immer noch da – nur kürzer.
→ Der Hund empfindet dadurch zunächst Erleichterung.
→ Aber: jetzt beginnt oft das eigentliche Problem.
→ Die tote Unterwolle hindert das abgeschorene Deckhaar daran, wieder richtig nachzuwachsen.
→ Wenn die Unterwolle irgendwann entfernt wird, wuchert die neu nachwachsende Unterwolle schneller als das Deckhaar – und blockiert es weiter.
Das Deckhaar aber ist essenziell:
→ Es schützt vor Sonne und Regen.
→ Unterwolle ohne Deckhaar wird sofort nass und trocknet nur sehr langsam.
→ Folge: unangenehmer Geruch, Pilzerkrankungen, Hautausschläge.
Ein Teufelskreis, der hätte verhindert werden können – wenn man einfach nur die tote Unterwolle entfernt hätte, anstatt den Hund kurz zu scheren.
Ausnahmefälle:
Sehr alte, kranke oder kastrierte Hunde können manchmal Probleme haben, ihre Unterwolle im Frühling/Sommer loszuwerden.
In diesen Fällen kann man über eine Schur zur Erleichterung nachdenken.
ABER:
→ Die lose Unterwolle muss dennoch regelmäßig weiter ausgebürstet werden.
→ Ob ein Doppelfellhund wirklich von einer Schur profitieren könnte, muss individuell entschieden werden.
→ Das sollte ein Hundefriseur beurteilen, der sich mit Doppelfell auskennt.
Wichtig:
Tierärzte sind keine Fellspezialisten – sie raten leider immer wieder zu falschen Schritten bei der Fellpflege.
🔍 Gilt das für alle Hunde?
Nein.
Ob ein Hund geschoren werden darf, hängt ganz vom Felltyp ab.
→ Es gibt Rassen, die regelmäßig geschoren werden sollten, weil ihr Fell kontinuierlich wächst:
→ Pudel, Bichon Frisé, Malteser, Havaneser, Shih Tzu, Doodles & Co.
Diese Hunde profitieren von einem gut gemachten Sommerschnitt – wenn:
→ Das Fell vorher gut gebürstet ist (Filz und Knoten dürfen nicht mitgeschoren werden!)
→ Die Haut gesund ist
→ Der Schnitt artgerecht, typgerecht und nicht zu kurz gemacht wird
Aber auch hier gilt:
→ Scheren ersetzt keine richtige Pflege!
→ Ein ungepflegtes Fell wird auch im Kurzhaarschnitt schnell filzig, unangenehm und juckend.
✅ Was hilft meinem Hund wirklich bei Hitze?
→ Regelmäßiges Bürsten – besonders bei Doppelfellhunden: alte Unterwolle raus, Luft ran!
→ Schattige Liegeplätze – möglichst kühl und luftig
→ Kühle Unterlagen – z. B. Kühlmatten oder Fliesen
→ Frisches Wasser jederzeit verfügbar – auch unterwegs
→ Gassizeiten anpassen – früh morgens und abends, wenn es kühler ist
→ Kein Joggen oder Radfahren bei über 20 Grad!
→ Pfoten schonen – Asphalt kann schnell sehr heiß werden
→ Keine Schuhe – Hunde schwitzen über die Pfoten
→ Schwimmen oder Planschen ermöglichen
→ Ventilator/Klimaanlage – nur, wenn der Hund selbst entscheiden kann, ob er es nutzen möchte
Ganz wichtig:
Hecheln ist bei Wärme ein völlig normales Verhalten!
Ein hechelnder Hund ist nicht automatisch überhitzt.
→ Stress, Schmerzen, Aufregung, Angst – all das kann Hecheln auslösen!
❤️ Fazit: Nicht jede Schur ist eine Wohltat
Auch wenn wir Menschen uns im Sommer am liebsten aller Kleidung entledigen würden – Hunde ticken anders.
Ihr Fell erfüllt eine wichtige Schutzfunktion – und die sollten wir nicht leichtfertig abschneiden.
Wenn du unsicher bist, ob dein Hund von einer Schur profitieren würde – oder ob du ihm eher schadest:
→ Lass dich bei uns im Salon beraten!
→ Wir schauen uns das Fell individuell an und entscheiden gemeinsam, was für deinen Vierbeiner das Beste ist.
Denn:
Gute Fellpflege beginnt nicht mit der Schermaschine – sondern mit Verstehen, Vertrauen und Verantwortung.
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